Ausführungsvarianten für Orientierung

Ausbildung des Eingangs

Ausbildung des Eingangs

Damit die Eingänge gut für alle Menschen, auch mit Einschränkungen ihrer Kognition oder ihres Sehvermögens, auffindbar sind, sollen sie eindeutig ausgebildet werden und z. B. durch bauliche oder landschaftsplanerische Betonung deutlich wahrnehmbar sein. Für Menschen mit visuellen Einschränkungen ist eine kontrastreiche Gestaltung und angemessene Beleuchtung einzuplanen. Für blinde Nutzer ist die Auffindbarkeit durch taktile bauliche Maßnahmen, wie unterschiedliche Bodenbelagsstrukturen, verschiedene bauliche Elemente oder gegebenenfalls auch Bodenindikatoren zu ermöglichen. Ferner können auch akustische oder elektronische Signale zum Einsatz kommen. Großen Wert ist auf die Lückenlosigkeit der Orientierungssysteme zu legen – die zu Eingängen hin und von ihnen weg führen.

Bei der Gestaltung des Eingangs kann die Barrierefreiheit auch als Beitrag zur Niedrigschwelligkeit im übertragenen Sinne verstanden werden.

Referenzpunkte

Referenzpunkte

Eine Möglichkeit zur Unterstützung der räumlichen Orientierung von Personen mit eingeschränkter Kognition oder intellektueller Beeinträchtigung, ist die Ausbildung einprägsamer und wiedererkennbarer Referenzpunkte (Marquardt & Schmieg, 2007). Im Innenraum können dies beispielsweise intensiv farblich oder gestalterisch hervorgehobene Stellen sein, an denen eine Entscheidung (wie ein Richtungswechsel) zu treffen ist oder wo eine Hilfe bei der Einordnung des eigenen Standortes im Gebäude notwendig ist.

Möglich ist auch, diese Referenzpunkte so anzuordnen, dass immer eine Blickbeziehung zwischen diesen Punkten besteht. Dieses Prinzip der sequenziellen Orientierung, (von Punkt zu Punkt) kann auch, mit dem im Weiteren beschriebenen Bojenprinzip zur Orientierung von blinden und sehbehinderten Nutzern, kombiniert werden. Als Referenzpunkte können z. B. Kunstobjekte, Theken, Informationssäulen, Ausruhebereiche und Veränderungen der Raumhöhe dienen. In komplexen Gebäudestrukturen können auch Blickbeziehungen in den Außenraum (z. B. in den Garten oder zum benachbarten Baudenkmal) die Orientierung unterstützen.

  1. Marquardt, G., Schmieg, P. (2007)

Natürliche Leitlinien und Zonierung im Innenbereich

Natürliche Leitlinien und Zonierung im Innenbereich

Die bereits beschriebenen Grundprinzipien der Gliederung öffentlicher Räume können für den Innenbereich sinngemäß übernommen werden. Eine klare hierarchische Grundrissstruktur stellt die Grundlage dar. Die Orientierung im Gebäude kann durch Material-, Farb- und Gestaltungskonzepte wesentlich unterstützt werden. Zusätzliche Leitkonzepte sind nicht unbedingt notwendig.

Die Gestaltung durchgehender Flurwände ohne Vor- und Rücksprünge kann zu natürlichen Leitlinien werden. Auszuschließen ist hier die Verletzungsgefahr durch offen stehende Türen.

Eine kontrastreiche Gestaltung (Leuchtdichtekontrast K > 0,4), soll nach DIN 32975 im Wesentlichen zwischen Wand und Boden ausgebildet werden, damit die Raumgrenzen auch bei Einschränkungen des Sehens wahrnehmbar sind. Diese Abgrenzung kann beispielsweise auch durch markante Fußleisten und Türzargen entstehen. Außerdem ist es möglich, wichtige Elemente, wie den Zugang zur vertikalen Erschließung durch ein markantes Element (beispielsweise ein Portal) oder die Dimensionierung zu betonen. Genauso können untergeordnete Funktionen durch eine sich so wenig wie möglich abzuhebende Gestaltung „unsichtbar“ gemacht werden.

Mit Hilfe von differenzierten, taktil und optisch wahrnehmbaren Bodenbelägen kann eine freie Durchgangszone ausgebildet werden, die durchgehend verlässlich ohne Hindernisse benutzbar ist. Die benachbarten Flächen sind für Möblierung oder für das Öffnen von Türflügeln nutzbar.

Möglicherweise kann ein Gebäude trotz gelungener Gestaltung den Ansprüchen blinder Nutzer nicht gerecht werden. In diesem Fall ist es möglich, ein optisch unauffälliges taktiles System (Einfräsungen) zu ergänzen.

In öffentlichen Gebäuden ist die Wegeführung zwischen Eingangsbereich und Informationsschalter zu sichern. Ob und welche weiteren Maßnahmen notwendig sind, muss situationsbedingt entschieden werden. Nach DIN 32985 sollten die Besucher auch geleitet werden:

  • zur vertikalen Erschließung
  • zu den Wartebereichen
  • zu barrierefreien WC-Anlagen
  • zu Beratungsstellen
  • zu Kassen und ggf. auch zu Garderoben

Eine Zonierung kann auch durch den gezielten Einsatz von Tages- oder Kunstlicht unterstützt werden.

Kontraste gestalten

Kontraste gestalten

Kontraste zu gestalten ist mit vielen Unsicherheiten verbunden. Es fehlt in der Praxis an durchführbaren Ermittlungsmethoden. Auch wenn bei Materialien eine bestimmte Leuchtdichte angegeben wird, fehlen Erfahrungen mit der Materialveränderung durch Witterung und Abnutzung. Ob das entworfene Farbkonzept tatsächlich der DIN 32975 entspricht, kann kaum beurteilt werden.

Eine einfache Methode einen Leuchtdichtekontrast zu prüfen ist, das Farb- oder Materialkonzept in Grauwerte (z. B. in Bildbearbeitungsprogrammen) zu übertragen. Es stellt sich heraus, dass Farben mit gleicher Sättigung nicht den gewünschten oder sogar gar keinen Kontrast aufweisen.

Für die Planungspraxis ist von Bedeutung, ausrechnen zu können, welche Farbe zur bereits existierenden einen entsprechenden Kontrast ausweist. Die aktuelle Veröffentlichung „Barrierefreie Gestaltung von Kontrasten und Beschriftungen“ (Böhringer, 2012) beschreibt diverse Verfahren, wie Kontraste in der Praxis bestimmt werden können. Auch wenn keine dieser Methoden exakten Messergebnissen im Labor entspricht, dienen sie in der Praxis als große Hilfestellung, um zu relativ genauen und nachvollziehbaren Ergebnissen zu kommen:

Durch Vergleich der Flächen mit Farbfächern können folgende Werte abgelesen werden (variiert nach Herstellerfirmen):

  • Hellwert L*
  • Hellbezugswert Y
  • Reflexionsgrad ρ (rho)

Anhand des Hellbezugswertes Y oder des Reflektionsgrades ρ (rho), können Leuchtdichtekontraste berechnet werden. Diese Werte können, falls nicht auf der Farbkarte angegeben, aus dem Hellwert L* mittels der verfügbaren Tabellen errechnet werden. In Anlehnung an die Schweizer Norm SN 521 500 formuliert Böhringer (2007) beispielsweise eine relativ exakte Berechnungsmethode auf der Grundlage der Hellbezugswerte Y:

  • Visueller Kontrast von K = 0,4 soll erreicht werden: Y(Fläche1) mind. 2,3 * Y(Fläche 2)
  • Visueller Kontrast von K = 0,7 soll erreicht werden: Y(Fläche 1) mind. 5,7 * Y(Fläche 2)

Umfrageergebnisse der DBSV ergaben, dass die Farbkombination Gelb auf Lila den besten Kontrast ergibt. Zu vermeiden ist schwarz auf grau. Auch rot – grün Kontraste sollen nicht verwendet werden (nach BfG (1996) haben 8 % der Männer und 0,4 % der Frauen eine Wahrnehmungsstörung bei Rot-Grün). Nach Böhringer (2012) können 5% der Bevölkerung Farben nicht richtig wahrnehmen. Zu starke Kontraste können bei Menschen mit kognitiven Einschränkungen abweisend wirken (Marquardt & Schmieg, 2007).

  1. Böhringer, D. (2011)
  2. DIN 32975
  3. BfG (1996)
  4. Marquardt, G., Schmieg, P. (2007)
  5. DIN 18040-1

Bauliche Leitsysteme: Leitlinien-Prinzip

Bauliche Leitsysteme: Leitlinien-Prinzip

Es ist wesentlich, ein linear aufgebautes Leitsystems lückenlos zu konzipieren. Leitlinien können als Bodenindikatoren, aus unterschiedlichen Bodenmaterialien oder als Wand, Mauer, Wegbegrenzung oder anderen Kanten ausgebildet werden. Der Einsatz dieses Systems ist sinnvoll, wenn eine klare Führung zu einem Ziel – beispielweise zum Gebäudeeingang oder zur Informationstheke im Foyer – gewünscht ist. Bei einem komplexen Leitsystem mit paralleler Wegeführung zu verschiedenen Zielen muss eine unterstützende Ausbildung von Vorabinformationen, Beschilderungen und taktilen sowie akustischen Informationen erfolgen.

Bauliche Leitsysteme: Bojen-Prinzip

Bauliche Leitsysteme: Bojen-Prinzip

Dieses sequenzielle Leitprinzip führt den Nutzer punktuell von einer sogenannten Boje zur anderen. Die Bojen müssen kontrastreich und sicher taktil erfassbar sein. Als Boje kann eine Informationsstelle, ein Ausstellungsstück, Ausgangspunkt einer Aktivität oder ein Erschließungselement sein – wie taktile Informationen am Anfang und Ende eines Treppenhandlaufes oder deutlich ausgebildete Aufmerksamkeitsfelder vor einer Tür. Auch akustische Signale oder gestalterische Elemente wie Brunnen tragen zur punktuellen Orientierung bei. Interessant an dieser Lösung ist, dass sich das Leitsystem viel mehr auf die Inhalte / Angebote konzentriert und weniger auf die Wegeführung selbst. Nach diesem Prinzip ist in einfachen Fluren kein zusätzliches Leitsystem zu einer gewünschten Stelle erforderlich, wenn z. B. der Eingang in einen Raum durch eine Boje deutlich gekennzeichnet ist. Zur besonderen Herausforderung für Planer zählt hier die Frage, wie die Bewegung von einer Boje zur anderen erfolgen kann. Bei komplexen Gebäuden können z. B. lineares und Bojen-Prinzip kombiniert werden.

Die Ausbildung der Referenzpunkte folgt im Grunde diesem Prinzip. Es ist anzustreben, beide Methoden in einem Leitsystem zu verbinden.

Pyramidenschrift

Pyramidenschrift

Die sogenannte Pyramidenschrift ist eine taktil gut erkennbare, erhabene Schrift, die über einen leicht abgerundeten, dreieckigen oder trapezförmigen Querschnitt verfügt. Eine nicht erhabene Form einer taktilen Schrift, wie eine Eingravierung, erreicht nicht die gewünschte Lesbarkeit durch die Fingerkuppen. Auch eine einfach erhabene Schrift, ohne sich verengenden Querschnitt, ist nachweislich schlechter lesbar. Ein weiterer Vorteil der Pyramidenschrift ist das breite Erscheinungsbild, das optisch gut (wenn kontrastreich ausgebildet) wahrnehmbar ist.

Die Schrift soll so einfach wie möglich gestaltet werden, serifenlos und überwiegend in Großbuchstaben geschrieben. Eine Proportionalschrift, in der die Breite jedes Zeichens optisch bestimmt ist und daher sehr unterschiedlich ist, soll vermieden werden. Eine Festschrift ist vorzuziehen. Auf Piktogramme und grafische Zeichnungen sollte verzichtet werden, da diese schwer zu erkennen sind. Eine Ausnahme bilden hier einfache oder abgeknickte Pfeile oder in eine Richtung deutlich ausgerichtete Dreiecke.

Die erkennbare Höhe der Buchstaben (1) liegt zwischen 10 – 50 mm, vorzugsweise 10 – 13 mm.

Die Basisbreite (2) beträgt 0,18 x H (± 0,03), jedoch mindestens 1,2 mm.

Der Mindestabstand (3) zwischen zwei Buchstaben beträgt 0,4 x H bis H = 18 mm / bei H > 18 mm = 0,3 x H / bei 10 mm bis 13 mm: 4 mm bis 5 mm bezogen auf die tastbare Oberkante.

Die Erhabenheit (4) muss 1- 2,5 mm betragen, für eine Höhe bis 13 mm sind 1,2 mm ausreichend.

Der horizontale Abstand zwischen zwei Zeichen muss sich entsprechend proportional vergrößern. Es ist zu beachten, dass zwei nebeneinander liegende Buchstaben, die sich in der Form sehr ähneln, einen größeren Abstand benötigen. Der Abstand zum Rand beträgt bei Vertiefungen zum Rand oder grundsätzlich zu erhabenen Markierungen mindestens 10 – 15 mm (Behling, 2007).

  1. Behling, K. (2007)

Brailleschrift

Brailleschrift

Taktile Beschriftungen sollen in Braille-Großdruck nach E DIN 32976 erfolgen und den Abmessungen der Richtlinie für taktile Schriften (Behling, 2007) entsprechen (vgl. Abbildung). Die einzelnen Punkte müssen als Halbkugeln gestaltet werden und dürfen keine Grate haben.

Der Abstand der Beschriftungen zu erhabenen Linien (bspw. an taktilen Plänen) oder zu Kanten von Vertiefungen soll mindestens 1 – 1,5 cm betragen.

Die Beschriftungen sollen keine Großbuchstaben beinhalten. Zu verwenden ist, auch bei Fremdwörtern, die Vollschrift gemäß dem System der deutschen Blindenschrift (Deutsche Blindenstudienanstalt, 1998).

  1. DIN 32976
  2. Behling, K. (2007)
  3. Deutsche Blindenstudienanstalt (1998)

Audio- und Videoguides

Audio- und Videoguides

Der Einsatz von Audio- und Videoguides zählt zu den wichtigsten Orientierungshilfen für Menschen mit visuellen Einschränkungen. Gleichzeitig handelt sich es im Sinne desUniversellen Designs um ein Prinzip, das allen helfen kann, möglichst uneingeschränkten sowie inhaltlich anspruchsvollen Zugang zur gewünschten Nutzung zu ermöglichen. Die Anwendung von Audio- und Videoguides erfolgt beispielsweise in Museen, Ausstellungen, komplexen Gebäudestrukturen, in Städten, an Bahnhöfen oder auf Wanderwegen. Es können praktische Informationen, wie historische, kulturelle und touristische Inhalte vermittelt werden. Die Ausgabe kann in verschiedenen Fremdsprachen, für Kinder und Jugendliche, in leichter Sprache, mit ausführlichen Beschreibungen für blinde Besucher und Menschen mit weiteren, visuellen Einschränkungen erfolgen.

Für Besucher mit auditiven Einschränkungen können eine Kopplung an Hörgeräte sowie Videoguides in Gebärdensprache zur Verfügung stehen. Es sind tragbare, wie fest installierte Systeme denkbar. Der Einsatz dieser Leit- und Informationssysteme muss parallel zur Entwicklung der Technik bei persönlichen Navigations- und Kommunikationsgeräte erfolgen.